Ruhe und Ordnung – Das Sicherheitsmagazin

Asylwerber Gazmen Tunaj, vierfach vorbestraft, nun 4 Jahre Haft wegen Einbrüchen

Posted in Einbruch, Fokus Wien, Gericht by sicherheitwien on 2. September 2009

Gazmen Tunaj ist fotoscheu. Diese Handhaltung hat er sich von Josef Fritzl abgeschaut, mit dem er seit 2008 in der JA Sankt Pölten in Strafhaft gesessen ist. Mit dem Blatt Papier hat er den Fotografen tatsächlich überrumpelt.
(Foto: Oswald/Ruhe und Ordnung/B&G)

(LG Wien, am 2. September 2009) Je tiefer man in das Justizsystem blickt, umso tiefer blickt man in einen Abgrund. Im Fall des heute 45-jährigen Kosovo-Albaners Gazmen Tunaj wundert man sich über einiges: Erstens wundert man sich über die Justizanstalt Sankt Pölten und seinen Direktor Günther Mörwald. Weiß dieser Mann, wofür ihn die Republik bezahlt, oder ist er ein Beamter, der die Verschwiegenheit vor sich herträgt, solange, bis er in Pension geht, damit dann ein anderer die Verschwiegenheit vor sich herträgt? Der Fall Gazmen Tunaj eignet sich hervorragend die Tatenlosigkeit dieses Direktors zu illustrieren.

Die drei Wunder

Was der Sinn des Strafvollzuges ist, müsste Direktor Günther Mörwald bekannt sein. Das Strafvollzugsgesetz ist umfassend, er hält es Journalisten immer wieder unter die Nase, Angehörigen und Neugierigen. Doch wie hält er es damit? Ist die Kernaufgabe des Strafvollzugs, Inhaftierte während des Strafvollzugs fit für die Freiheit zu machen? Gazmen Tunaj saß bis 6. Februar 2009 in Sankt Pölten in der Haft. Er erhielt 15 Monate nach Suchtgiftmissbrauch und Autoeinbruch, dazu wurde eine alte, seiner insgesamt vier Vorstrafen „aufgemacht“. Er saß in Summe 21 Monate ab, davon nach dem Urteil in Wien mehr als zwei Drittel in Sankt Pölten. Er war, wenn man so will, gut ein Jahre Haftgenosse von Josef Fritzl, der erst am 29. April 2008 in die Justizanstalt Sankt Pölten dazustieß. Gazmen Tunaj wurde in Haft monatelang substituiert, weil er seit 2004 wegen Heroinmissbrauch substituiert ist. Nun saß er 21 Monate in Haft, davon fast 15 Monate in Sankt Pölten. In diesen Monaten wäre es die Pflicht der Justizanstalt Sankt Pölten gewesen, Gazmen Tunaj „clean“ zu machen. Man machte es nicht. Nach der Enthaftung kam er in Sankt Pölten in Schub.

Was ist der Sinn der Schubhaft, und damit kommt man zum zweiten, wunden Punkt des Behördenversagens in diesem Fall. Schubhaft dient dazu, rasch eine Abschiebung in die Heimat oder in ein Drittland zu organisieren. Im „Schub“ aß Gazmen Tunaj im Februar 2009 aus Protest 15 Tage nichts und er presste sich damit frei. Er wurde, man wundert sich, aus der Schubhaft entlassen. Er ließ sich wieder bei seiner Freundin nieder.

Nun, das dritte Wunder: In der gegenwärtigen Singlegesellschaft Wiens leben viele allein, einsam, ohne Anschluss. Doch Häftlinge haben offenbar immer Freundinnen und Unterschlupf. Tunaj lebte ab Mitte Februar 2009 (6. Februar entlassen, plus 15 Tage Hungerstreik, dann wieder entlassen) in der Gatterholzgasse im 12. Wiener Bezirk. Er war nun formal kein „Asylwerber“ mehr, sondern, wie es Richter Gneist einmal treffend formuliert: „Illegaler“. Was danach geschah, was er danach machte, kann oder will er heute nicht mehr aufklären. Klar ist nur, dass er am 14. April 2009 wieder verhaftet wurde und seither wieder in U-Haft sitzt. Heute, 2. September 2009, setzte es seine fünfte Vorstrafe. Diesmal vier glatte Jahre und unbedingte Haft für diverse Autoeinbrüche und Diebstähle. Er macht wiederum Suchtgiftabhängigkeit geltend, Wirrheit im Kopf, Druck von einem Rumänen, bei dem er in nur zwei Monaten 2.000 Euro Suchtgiftschulden gehabt haben will. Doch so klar ist das alles nicht.

Kurios ist gleich der Beginn: Daher muss man sich gleich einmal dem Anwalt Werner Jahnel widmen. Der Anwalt macht sich am Gang bemerkbar: „Keine Fotos“, sagt er. Darauf entspannt sich ein zarter Disput: „Wissen Sie, Sie sind nur ein Zivilist. Sie sind einmal im halben Jahr am Strafgericht. Sie sind nur Pflichtverteidiger. Mit Euch Anwälten ist es immer das gleiche. Immer fest Täterschutz betreiben und Phrasen dreschen. Dabei kennen Sie Ihren Mandanten als Pflichtverteidiger gar nicht. Ihr Mandant hat hier gar keine Rechte mehr: Er ist nach 28 Einbrüchen angeklagt. Haben Sie das etwa vergessen? Sie sollten es nicht übertreiben.“ Ein Zuhörer, Parkgaragenbesitzer, der einer von 28 Geschädigten ist, springt bei: „Eine Frechheit ist das.“

Anwalt Werner Jahnel ist der Typ Anwalt, der „auch Strafrecht“ macht. Solche messen das Strafrecht, das als „schwerers Recht“ gilt, mit den Feinunzen des Zivilrechts, das als „leichtes Recht“ gilt. Solche Anwälte, die alle heiligen Zeiten Strafrecht machen, sehen jeden Angeklagten als kleinen Verkehrssünder. „Zivilisten“ machen zwei Mal im Jahr ihre Pflichtübung in Strafrecht für die Pensionskassa und damit die Rechtsanwaltskammer hinterher sagen kann, dass jeder Angeklagte in Österreich einen Anwalt hat. Was diese Anwälte dann im Gericht für einen Stiefel zusammen reden, dringt nie an die Öffentlichkeit. Dieser Anwalt wird später im Prozess über den „Kosovo-Krieg“ reden wollen und das Gericht überzeugen wollen, dass sein Mandant traumatisiert ist. Der Richter, der wirklich zwei Mal pro Woche (!) Strafrecht macht (meist vier Verhandlungen an einem Tag) meint nicht recht zu hören, lässt aber aus Höflichkeit gewähren.

Werner Jahnel: Jeder Pflichtverteidiger sieht einen Schwerkriminellen als Kirschendieb und meint damit bei erfahrenen Richtern punkten zu können. Entsprechend gehen die Verfahren aus. (Foto: Marcus J. Oswald)

Ein echter, abgebrühter, erfahrener Strafverteidiger würde das nie machen: Bei Adam und Eva anfangen. Die Zivilisten gehen immer wieder mit der Umständlichkeit und weitschweifigen Denklogik des Zivilrechts an Strafrechtsmaterien heran, was man an ihren endlosen Schlußplädoyers erkennt. „Zivilisten“ reden oft 15 Minuten. Ein guter, prägnanter Strafverteidiger kommt mit vier Minuten aus und hat alles Wesentliche erkannt. Manchmal würde man armen Schluckern wünschen, dass sie ihre Pflichtverteidiger hinauswerfen und sich selbst verteidigen. Ein gestörtes Verhältnis haben „Zivilisten“ mit der Öffentlichkeit. Sie sind es nicht gewöhnt, dass man ihnen bei der Arbeit zu und auf die Finger schaut. Sie bewegen sich nur, gekleidet als feine Pinkel von Scheitel bis Sohle in Armani in den feinen Zirkeln des Handelsgerichts oder beim Bezirksgericht oder sitzen gar nur hinter dem Schreibtisch und machen Vertragsrecht.

„Zivilisten“ sind auch nicht gewöhnt, dass sie fotografiert werden oder in der Zeitung stehen. „Meinen Namen nicht nennen“, hört man oft, wenn ein „Zivilist“ beim Strafgericht tätig war. Offenbar ist es schlechte Werbung für die Kanzlei, wenn ein Anwalt auch einmal einen Räuber vertritt. Zwischen echten Strafrechtlern und Zivilisten herrscht Zuneigung wie unter Stiefgeschwistern. Denn Strafrecht ist die unterste Schublade des Rechts. Aber weil es so „tief“ liegt, im Staub der Gesellschaft, interessiert es die Leute. Wer Strafrecht macht, wird am Ende ein Held oder Volksheld. Aber er muss zuerst Jahre durch den Dreck waten und viel Grausamkeit hören. Friis wird einmal ein Held, Tomanek ist schon Viersterneanwalt, er ließ viele Haare, Mayer ist „bekannt zwischen Wien und Bukarest“, er hat seine Haare noch (weil er nicht raucht). Der alte Philipp ist ein grantiger Fünfsterneanwalt, sein Sohn hat erst zwei Sterne, aber schon einen Porsche Carrera und die Kanzlei am Wiener Graben. Diese Leute stehen täglich in der Öffentlichkeit und arbeiten mit ihr. Sterne muss man sich erarbeiten. Als Star wird man nicht geboren. [Auch „Blaulicht und Graulicht“ macht Stars.]

Der anwesende Anwalt Werner Jahnel verlegt sich aufs Raunzen. Er glaubt, er ist am Bezirksgericht und verhandelt eine Nachbarschaftsstreitigkeit. Er nörgelt über ein Foto, redet platte Dinge im Gerichtssaal und kann außerhalb nicht damit umgehen, dass es ein berechtigtes Interesse ist, den Angeklagten, der kein harmloser Kirschdieb oder Verkehrssünder ist, sondern ein substituierter Schwerkrimineller, bildlich festzuhalten. (Auch wenn es glatt misslingt, weil der von Josef Fritzl gelernt hat, womit nicht zu rechnen war.)

Nannte keine Namen, welcher Rumäne ihn zu Autoeinbrüchen anstiftete, legte aber großen Wert auf Anonymität.
Im Dunkeln lässt sichs eben gut Munkeln. Gestaltete auch seine Verhandlung als Wunschkonzert: Gazmen Tunaj. Resultat: Vier Jahre Haft. (Foto: Oswald/B&G)

Der Angeklagte macht aus seinem Prozess ein Wunschkonzert. Die Staatsanwaltschaft legt ihm ein dickes Paket an Taten vor. Es beginnt bei Fahrraddiebstahl (Citybikes um 200 Euro). Die Räder hat er für seine Diebstouren benötigt. Beim letzten Diebstahl wurde er festgenommen (14. April 2009). Daneben geht es um eine Liste von Autoeinbrüchen rund um den Karlsplatz. Insgesamt werden ihm zu Beginn 24 Einbrüche, drei Versuche und ein nachgewiesener Raddiebstahl vorgehalten. Bei den schweren Autodiebstählen nach seinem Modus Operandi wurde die Tatbeteiligung jeweils so errechnet: Sein Handy wurde analysiert und festgestellt, wo er sich aufgehalten hat. Das Paket an Autoeinbrüchen umfasst daher zu Beginn 27 Autoeinbrüche. Dann beginnt der Angeklagte sein Wunschkonzert: Auf Geheiß des Anwalts „geständig“, aber: „Ich gebe nur das zu, wo Navis gestohlen wurden.“

„Nur Navis“

Er will es nicht gewesen sein, wo ein Laptop aus dem Auto gestohlen wurde oder Digitalkameras. „Nur Navis!“ Das ist interessant und in der Junkiszene gänzlich neu. Navis kosten 250 bis 300 Euro. Laptops bis zu 1.000 Euro. Digitalkameras liegen dazwischen. Dem Angeklagten hat vermutlich jemand am Haftraum eingeredet, dass er sich nur auf ein Produkt festlegen soll, da das die Haft kürzer macht. So geschieht es dann auch. Sein Anwalt sagt zu Beginn: „Er bekennt sich großteils schuldig. Nämlich zu den Navis. Nicht zu den Einbrüchen in Tiefgaragen.“ Und: „Er ist Teil einer Organisation, die er nicht kennt“. Und: „Die Anklage ist nicht substantiiert. Mein Mandant hat das nicht allein gemacht.“ Noch Wünsche? Was für eine Linie der Verteidigung. Zivilanwälte meinen immer, dass sie vor dem Zivilrichter stehen, wo man sich es ausschnapst. In Wahrheit ist das Ermittlungsverfahren im Vorfeld des Strafprozesses schwergewichtig. In keiner Zeile steht in Polizeiprotokollen, dass er das nicht allein gemacht hat. Da er keinen anderen nennt, war er es wohl auch allein. Sicher gab es einen „Auftraggeber“ (der Rumäne), aber die Durchführung machte er allein. Der Anwalt spielt auf „großen Unbekannten“, was Strafrichter am LG Wien immer besonders heiß lieben. Solche Exzesse kippen in der Regel ins genaue Gegenteil: Das Geständnis löst sich auf und wird wertlos. Damit sterben die Milderungsgründe. Zivilanwälte verstehen diese Nuance nie: Sie meinen in Schlußplädoyers immer, dass die Formel „ich gestehe“, schon ein Geständnis ist. Das Geständnis reduziert sich in diesem Fall auf ein Drittel der Vorwürfe, die am Ende „halten“. Alles andere streitet der Angeklagte einfach ab.

Spielplatzkamerad aus Rumänien

Gazmen Tunaj wurde am 6. Februar 2009 aus der Strafhaft (21 Monate) entlassen und in St. Pölten in Schubhaft übernommen. Dort wußte er sich durch Einsatz zu befreien: Er verweigerte Nahrung. Nach 15 Tagen war er frei und wieder in Wien. Was dann war, „weiß ich heute nicht mehr“, so der Einbrecher zum Richter. Er laviert und fantasiert herum. Zuerst sagt er, er habe einen Monat „nur am Spielplatz“ mit seinem vierjährigen Kind gesessen. Einen Monat? Wer sich an den 16. März 2009 erinnern kann (Start des Fritzl-Prozesses), weiß wie arschkalt es in diesen Tagen war. Alle trugen Mäntel, Schals und Hauben. Man musste bei guter Gesundheit sein, um das nasskalte Wetter gut zu überstehen. Doch der kränkliche Gazmen Tunaj, der soeben 15 Tage „im Hungerstreik“ war, saß einen Monat am Spielplatz, will er Richter Christian Gneist weiß machen. Er muss ein vorbildhafter Vater gewesen sein. Dann stellt sich B&G die Anschlussfrage: Wo ist seine Freundin und das Kind am Prozesstag 2. September 2009? B&G ist der einzige Zuhörer (neben einem Privatbeteiligten) im Saal 202. Von Freundin und Kind im Publikum ist nichts zu sehen, obwohl es um seinen Kopf geht. Klare Antwort: Offenbar regiert Freundin und Kind nur in der kranken Fantasie des Angeklagten, wie so oft bei Junkis, die sich Beziehungen und Partnerschaften zusammen reimen, die es gar nicht gibt. Und noch was tat der soeben Haftentlassene von Februar bis April 2009: Einmal im Monat zum Arzt (also zwei Mal, denn zwei Monate war er in Freiheit), ein Mal in der Woche zur Apotheke, um das Substitol zu holen. Sonst tat er eigentlich nichts, lautet sein „Geständnis“. Ja und dann traf er den ominösen „Rumänen“. Am Spielplatz.

Der „Rumäne“, dessen Namen er weder nennt noch zu kennen vorgibt, habe ihm, dem Substuierten, gleich einmal Kokain und diverse einschlägige Tabletten angeboten. Er griff zu. Nun nahm er also auch Drogen. „Ich habe Schlangen gesehen, war bummzua“, so zum Richter. Diesen beeindruckt das nicht, denn der hört solche Märchen zwei Mal pro Woche zu den Verhandlungstagen. Zum Wesentlichen will und will der Angeklagte wenig sagen. Die Autoeinbrüche. Das Verfahren kann nicht klären, ob er alleine vorgegangen ist, „Teil einer größeren Organisation“ (sein Anwalt) ist, oder der rumänische Dealer sein Anstifter oder Helfer war. Bei diesem will er 2.000 Euro Schulden angehäuft haben. „Wie geht denn das in so kurzer Zeit? Wenn Sie einen Monat nur am Spielplatz sitzen?“ Der Rumäne war offenbar hilfsbereit: Er hat ihm auch ein Fahrrad zur Verfügung gestellt. Ein gestohlenes. Später wird es in Junkies Erzählungen „jedes Mal ein anderes“. Jetzt weiß man als gelernter Wiener, wo die vielen Fahrräder, die abgezwickt werden, hinkommen. [Dem Herausgeber, der in diesem Punkt aber nicht Racheengel spielen wird, wurden seit 1997 in Summe sechs Fahrräder gestohlen.]

Modus – Kerbspuren und Spezialschrauben

Gazmen Tunaj meint, das Strafgericht ist ein Bazar. Er sagt auf die Frage des Richters: „Wieviele Navis haben Sie nun gestohlen?“ „Sechs. Vielleicht sieben.“ Das kommt hin. 300 Euro mal sieben macht 2.100 Euro. Das wären die Drogenschulden. Es wurde gut am Haftraum ausgerechnet. Da es zu allen 27 Autoeinbrüchen keine Kamerabilder oder Zeugen gibt, taktiert der Angeklagte und legt sich ein exakt berechnetes Muster zurecht: 2.000 Euro Schulden, sieben Navis. Mehr wird nicht zugegeben. So sei es. Und so werden von Richter Gneist dem Angeklagten in mühsamer Kleinarbeit alle Einbrüche mit Polizeilichtbildern vorgelegt und er darf artig „ja, ist meiner“ oder „nein, ist nicht meiner“ sagen. Alle Einbrüche die mit dem Modus „Kerbspuren“ und Öffnen des „Fensters mit einer (dem Publikum nicht näher genannten) Spezialschraube“ werden ihm zugeschrieben. Er bestreitet, Scheiben eingeschlagen zu haben. Richterfrage: „Welche Scheibe haben Sie meist genommen?“ Angeklagter: „Rechts vorne.“ In der Tat wurde bei allen 27 Einbrüchen in Autos – mit einer Ausnahme – immer die Scheibe rechts vorne bevorzugt. Manchmal wurde ein Autoradio gestohlen, dann ein Laptop, eine Digitalkamera, eine Videokamera, ein Koffer und anderes. Das will er alles nicht gewesen sein. „Haben Sie Führerscheine genommen?“ „Nein, was soll ich damit?“ „Naja, damit kann man einiges machen“, so der Richter. „Haben Sie Sparbücher genommen?“ „Nein.“ Seine Bezirke waren der 6., 7. und 14. Bezirk. In seinem eigenen Wohnbezirk (12.) will er nicht zugeschlagen haben.

Psychiater – Angeklagter junkt

Gutachter Pakesch vom AKH Wien untersuchte den Einbrecher. Er sagt, dass eine Polytoxe Abhängigkeit vorliegt. Seit 2004 ist er auf „Heroin“ substituiert. Interessanterweise wurde er ein Jahr später Vater. Damals wurde er vom Verein „Dialog“ betreut (auf gerichtliche Weisung). Bei der Festnahme am 14. April 2009 wurden Koks, Hasch und Morphium im Harn gefunden. Jedoch nicht so viel, dass er gar eine „Psychose“ hätte oder dispositionsunfähig wäre. Junkies reden sich immer auf Drogenmissbrauch hinaus, um Zurechnungsunfähigkeit zu erreichen. Diese Pläne gehen selten auf. Der kosovarische Asylwerber ist vom Gutachter schuldfähig eingestuft, auch wenn die „Hemmschwelle abgesenkt und die Kritikfähigkeit eingeschränkt“ war. Eine Pointe kann sich der Gutachter nicht verkneifen. Bei Gutachtergesprächen gab Gazmen Tunaj an, gar nichts von Einbrüchen zu wissen. Später, bei der Haftrichtervernehmung, sagte er etwas von einigen. Heute, am Gerichtstag (2. September 2009) sagt er exakt „sieben Einbrüche“. Wie weit durch die Drogen die Erinnerung getrübt sei, sei nicht zu sagen, so Georg Pakesch. „Aber seine Erinnerung ist sehr spezifisch.“ Eingedeutscht: Der Angeklagte richtet sich die Wahrheit, wie er sie braucht und günstig findet. Wahrheit im Strafprozess ist auch: Der Angeklagte darf lügen. Nur Zeugen nicht. Die gibt es in diesem Verfahren nicht.

Die beiden Zeugen von der Polizei werden nicht gehört, sie nahmen nur die Festnahmeprotokolle auf. Der Tiefgaragenbesitzer wird auch nicht gehört, da der fantastische Angeklagte sagt, dass „er vor Tiefgaragen Angst“ hat und dort keine Einbrüche macht. Klar, der 45-Jährige fürchtet sich vor der Dunkelheit. Ursprünglich waren 28 Privatbeteiligte geladen. Einige sind auch da, gehen aber wieder. Einer hält durch. Er macht 250 Euro für das Navi und 500 Euro für nichtersetzten Versicherungsschaden geltend. Der Angeklagte akzeptiert nur das Navi. Ein anderer, ein Opernsänger, dessen Auto aufgebrochen wurde, machte schriftlich Schaden geltend: 199 Euro für das Navi. Das wird anerkannt, ist aber beides uneinbringlich.

Der Illegale aus dem Kosovo

Die Staatsanwältin modifiziert ihre Anklage geringfügig und sieht in sechs Autoeinbrüchen den Angeklagten klar überführt. Sie entschuldigt, dass im Ermittlungsverfahren ihm zu viel zugeschrieben wurde. Er sei aber nur zu diesen Fakten zu verurteilen, die er begangen hat. Sie kritisiert, dass er keine konkreten Angaben macht und Namen der Hintermänner und Abnehmer der Geräte nicht nennt. Zwei Monate nach der Haftentlassung wieder loszulegen erfordere klarerweise schuld- und tatangemessene Strafe.

Sein Anwalt Jahnel hält ein weitschweifiges Schlussplädoyer. Er fängt bei Adam und Eva an. Sechs Jahre lebte der Einbrecher in Deutschland, sechs Jahre in Österreich (davon zwei im Gefängnis, was er nicht sagt). Matura habe er im Kosovo gemacht. Er kann gut deutsch, „sodass man hier nicht einmal einen Dolmetsch braucht.“ (Was auch kein Problem wäre, es gibt viele Dolmetscher, Anm. B&G). Ferner: „Er ist illegal da, nicht als Asylant. Warum er überhaupt da ist, ist ein Politikum und das darf hier gar nicht erörtert werden.“ (Weil der Kosovo-Krieg nicht Thema der Autoeinbrüche ist, Anm. B&G). Dann will der Anwalt noch einmal verwirren: „Er kennt die Bezirke in Wien gar nicht und kann daher nicht genau sagen, in welchen Bezirken er eingebrochen hat. Er kann nur vage Angaben machen.“ Er sagt auch: „Es war nur Beschaffungskriminalität.“ (Interessant immer wieder, dass in mancher Anwälteaugen Beschaffungskriminalität weniger deviant sei als gewöhnliche Kriminalität.) Und dann der I-Tupf jedes Pflichtverteidigers, der in einem Einbrecherjunki einen harmlosen Verkehrssünder oder Kirschendieb sieht: „Mit einer Verurteilung ist niemandem geholfen.“ (Der Schwachsinnssatz musste ja fallen, Anm. B&G).

4 Jahre Haft

Obwohl mit einer Verurteilung „niemandem geholfen ist“ (Pflichtverteidiger Jahnel), wird verurteilt. 4 Jahre Haft unbedingt. Der Asylwerber mit vier Vorstrafen, davon zwei einschlägig, ist in diesem Schöffenverfahren im Strafrahmen von 1-15 Jahre angeklagt gewesen. „Damit bewegt sich das Urteil im unteren Drittel“, so Richter Christian Gneist. Er wird nach sieben Einbrüchen in Autos nach den §§ 127, 128, 129 Z. 1 und 130 4. Fall 2. Strafsatz verurteilt. Er sitzt nun bis 14. April 2013. Danach gehts in Schubhaft und vielleicht gibts wieder Hungerstreik. Was weiß man. „Von der Anklageschrift ist nicht viel übriggeblieben“, so der Richter, aber: „Sieben Fakten in zwei Monaten und das sofort nach einer Haftentlassung ist erschwerend.“ Der § 39 StGB (Strafverschärfung bei Rückfall) wird trotzdem nicht angewendet. Der Täter ist überführt, und zwar durch die Handykoordinaten. Er war bei allen überführten Taten näher als 500 Meter zum Tatort. „Sie waren in Haft wegen der selben Geschichte – Suchtgift und Autoeinbruch“ und „haben vier Vorstrafen“. Das Geständnis war nur ein „faktisches Geständnis, aber kein reumütiges.“ Drei Tage Bedenkzeit.

Fazit: Keiner der Geschädigten bekommt ein Geld. Einer will eine Pfändung betreiben, doch das ist sinnlos, da 2013 wohl wirklich die Abschiebung erfolgt. Und ob es sinnvoll ist, im Kosovo zu pfänden, ist fraglich. Auch interessant: Von den 27 Autoeinbrüchen sind nur sechs dem Verurteilten zugeschrieben. Die 21 anderen „gehören“ anderen. Diese sind noch auszuforschen. Das ist Aufgabe der Polizei.

Marcus J. Oswald (Ressort: Einbruch, Fokus Wien, Gericht, Landesgericht Wien) – 2. September 2009, Saal 202, 9 Uhr 05 – 10 Uhr 40