Ruhe und Ordnung – Das Sicherheitsmagazin

Operation Charly verfolgte Kinderpornografen

Posted in Bundeskriminalamt, Kinderpornografie by sicherheitwien on 20. Dezember 2010

(Wien, im Dezember 2010) Die jüngste Polizeioperation gegen Kinderpornografie hieß „Charly“ und sie richtete sich gegen einen Server in Luxemburg, der entsprechendes Material anbot.

Der Download-Server war in der Szene gut bekannt. Weltweit griffen rund 10.000 IP-Adressen zu. Aus Österreich wurden 63 Adressen ausfindig gemacht, rückverfolgt und bei den meisten auch tatsächlich kinderpornografisches Material gefunden. 107 Anzeigen wurden durch neun Landeskriminalämter gelegt.

„Operation Charly“ war die zweitgrößte Aktion gegen KIPO nach der „Operation Sledge Hammer“ im März 2009, bei der 953 Österreicher mit IP-Adressen vertreten waren.

Einige Verdächtige aus „Charly“ sind alte Bekannte früherer Suchaktionen der Polizei, etwa von „Geisterwald“ oder der genannten „Sledge Hammer“. Je ein Österreicher war bereits in einer dieser Operationen als Verdächtiger geführt und damit Stammkunde der Polizei.

Alle Schichten, alle Klassen, alles wie gehabt

Die sozialen Schichten der Treffer waren – wie immer – allgegenwärtig, auch Akademiker, fünf Erzieher und viele Pensionisten, die das Internet weniger als politisches Austauschmedium nutzen, sondern ihre Tagesfreiheit mit Sexbilderschauen ausfüllen. Altergruppen, wie immer bei Aktionen gegen Kinderpornografie: 18 bis 70-Jährige.

Ein Verdächtiger aus der Steiermark hatte eine starke Festplatte: Er speicherte 20.000 Bilder und 300 einschlägige Videos. Bei zwei Verdächtigen aus Österreich wurden selbst angefertigte Bilder gefunden, vornehmlich von Nachbarskindern in der Badewanne.

Österreich-Abteilung nur ein Prozent

Die „Österreich-Abteilung“ der IP-Adressen machte am Luxenburg-Server nur ein Prozent aus. Die Anzeigen nach Bundesländer gegliedert, zeigt sich am Ende der Operation, die bereits 2009 anlief und ein Jahr dauerte, in diesen Mengen: Burgenland 5, Kärnten 6, Niederösterreich 19, Oberösterreich 12, Salzburg 8, Steiermark 19, Tirol 3, Vorarlberg 3 und wie meist bei Anti-KIPO-Aktionen, am Stärksten natürlich Wien mit 32 Anzeigen.

Marcus J. Oswald (Ressort: Bundeskriminalamt, Kinderpornografie)

Fachbeitrag zu Kinderpornografie – im Café Blaulicht!

Posted in Kinderpornografie by sicherheitwien on 19. August 2010

Volle Dosis rechtliches Fachwissen!

(Wien, im August 2010) Der Wiener Strafverteidiger Roland Friis arbeitet an einem gelungenen Comeback auf Revers und daher holen ihn auch diese Seitenzyklen wieder ins Spiel zurück.

Ein Gastbeitrag, den er vor geraumer Zeit zum Thema „KIPO“ schrieb, ist im „Café Blaulicht“ Interessierten wieder zur Verfügung gestellt.

Marcus J. Oswald (Ressort: Kinderpornografie)

Kinderpornobesitz – Rechtspraktikant bekommt drei Monate bedingt

Posted in Kinderpornografie by sicherheitwien on 22. Dezember 2009

(LG Wien, am 22. Dezember 2009) Es irritiert, wenn ein Wiener Rechtspraktikant vor Gericht steht. Einer vom großen Arbeits- und Sozialgericht Wien noch dazu. Jeder Gerichtserfahrene weiß, dass Rechtspraktikanten nicht bloss Akten kopieren oder Richtern den Kaffee aufkochen. Sie machen in den Gerichten einmal in der Woche am Amtstag den Parteienverkehr und stehen mit der Bevölkerung direkt in Kontakt.

Doppelleben

Der Angeklagte Mag. Andreas H. schrieb eine Diplomarbeit am Wiener Juridicum und er hat ein abgeschlossenes Studium der Rechtswissenschaften. Der 26-Jährige führt aber ein Doppelleben. Mit der Tätigkeit bei Gericht dürfte er überfordert gewesen sein. Er ist, wie er sagt, homosexuell und unterhielt stattdessen mit einem 14-Jährigen (!) eine sexuelle Beziehung. Dieser Vorwurf des Missbrauchs ist nach der Reform des sogenannten „Schwulenparagrafen“ aber kein gegenständlicher Vorwurf mehr. In der heutigen Verhandlung wird dieser Punkt eingestellt. Er wirft trotzdem ein grelles Licht auf den geschniegelten Angeklagten, der strukturangepasst im Business-Anzug auftritt und Rudolf Mayer, der persönlich anwesend ist, als Rechtsbeistand hat.

Das Internet dürfte es dem Absolventen der juridischen Fakultät Wien angetan haben. 3.000 kinderpornografisch definierte Bilder und auch Filme wurden von der Polizei beschlagnahmt. Das geschah 2009 als sein Gerichtsjahr, das nach einem Juststudium folgt, nur mehr vier Wochen dauern sollte. Fast ein ganzes Jahr konnte er sein Doppelleben verbergen, dann flog es auf. Er wurde von Gericht sofort abgezogen, blieb aber auf freiem Fuss. Die Vorhalte der 3.000 Bilder und Filme bleiben im heutigen Prozess konform mit dem Strafantrag haften (Besitz von KIPO). Auch, dass er dem 14-Jährigen fünf Filme auf drei DVDs weitergegeben hatte (Weitergabe von KIPO).

Next Generation

Es wirft nicht nur ein unverantwortliches, sondern auch ein böses Licht auf den ausgebildeten Juristen, an dem die deutsche, österreichische und europäische Grundsatzdiskussion rund um Internetsperren, Zugangssperren und Kinderpornografie offenbar komplett vorbei gegangen ist. Es wirft ein Schlaglicht auf die Qualität der kommenden Juristengeneration. Wer sich Jurist nennt, aber zum Thema Grenzziehung zwischen Internetpornografie und Kinderpornografie überhaupt keine klare Haltung hat, macht den Staatsanwalt gleich einmal sauer. Und der ist zwar auch noch jung, aber mächtig sauer auf den Mitte 20-jährigen Hochschulabgänger, der ein knappes Jahr bei Gerichten arbeiten durfte. Der Staatsanwalt empfindet den Angeklagten als nicht sympathisch.

Kinderpornografiecausen im Gerichtssaal zu erleben ist halb so schlimm für den Zuhörer. Man sieht den Akteninhalt nicht. Die Aktenverlesungen am Ende eines jeden Prozesses überhüpfen mit Einverständnis aller (Richter, Anwalt, Staatsanwalt) die grellen Passagen, zeigen auch keine Bilder mehr. Mögen noch so viele Zuhörer im Gericht sitzen (was nie der Fall ist): Über die Akteninhalte wissen nur fünf Leute Bescheid – Angeklagter, Richter, Anwalt, Staatsanwalt, Gutachter (später noch: Therapeut). Und obwohl man wenig sieht und sich auf das Gesprochene verlassen muss, sind Kinderpornografiefälle beklemmend. Vor allem dann, wenn der Angeklagte ins Reden kommt. Das tut der Herr Magister Rechtspraktikant nicht. Er weiß, wie man sich vor Gericht verhält und ist bei Mayer in anwaltlicher Betreuung. Daher ist er geständig. Und stumm. Er sagt zu den Fakten, was zu den Fakten zu sagen ist.

3000 Fotos und Videos wie von selbst?

Ja, er hat 3.000 Fotos und auch Videos heruntergeladen. Er ist grundsätzlich geständig. Doch der Staatsanwalt hakt kritisch ein: „Jetzt sagen Sie, Sie sind geständig, aber Sie sagen gleichzeitig, Sie haben nicht konkret danach gesucht! Jetzt kennt sich aber mittlerweile auch die Staatsanwaltschaft mit dem Internet aus und ich sage Ihnen, das ist nicht möglich.“ Angeklagter: „Ich habe Schlagwörter eingegeben.“ „Welche?“, will der Staatsanwalt wissen: „Sex, Porno, sowohl im homosexuellen Bereich wie im heterosexuellen Bereich. Und ich habe per Email Angebote bekommen.“ Staatsanwalt: „Und dann glauben Sie, oder wollen uns erklären, dass Sie zufällig zu Kinderpornos gekommen sind? Ich sage Ihnen noch einmal: Zufällig kommt man nicht zu Kinderpornos!“ Angeklagter eiert herum: „Es wurde mir angeboten und dann habe ich Suchbegriffe eingegeben.“ Staatsanwalt: „Wieso wird Ihnen das angeboten? Es wird bitte niemandem, der nicht eine explizite Anfrage stellt, kinderpornografisches Material angeboten! Das habe ich noch nicht erlebt!“ Der Staatsanwalt ist bissig geworden. Aber, er steht allein auf weiter Flur. Es wird in diesem nur auf 15 (!) Minuten angesetzten Hauptverfahren, das ohne Zeugen auskommt, rasch klar, dass das Geständnis durch den großen Meister im Hintergrund Anwalt Rudolf Mayer gut vorbereitet und aufgesetzt wurde. Mayer ahnte, dass die Strafe gering bleiben muss, und man durch wenig Reden und knappe Antworten nicht auf falsche Geleise führt.

Herrmanns Schlacht

Der Staatsanwalt bohrt nach. Es kommt heraus, dass der Herr Magister die Download-Maschinen KaZaA und eMule genutzt hat. Und er will weiss machen, dass er dann einfachste Suchbegriffe eingegeben hat und die Kinderpornografie war da. Außer ihm selbst und seinem Advokaten glauben das niemand. Staatsanwalt: „Und sobald Sie es gesehen haben, haben Sie es runterladen?“ Angeklagter bejaht. Richter Norbert Gerstberger fasst den Angeklagten weiter mit Samthandschuhen an. Er fragt: „Wie sieht es denn jetzt mit Ihrer beruflichen Zukunft aus?“ Angeklagter: „Ich möchte ein Doktorat machen (in Rechtswissenschaft!, Anm. B&G).“ Darauf der Richter unglaublich milde: „Das heißt, Sie haben jetzt das Anliegen, deswegen nicht in die Strafregisterauskunft zu kommen, weil sie ihr Doktorat machen wollen?“ Sogleich diktiert der Richter ins Protokoll: „Ich mache ein Doktoratsstudium…“ Und frägt: „Und wie solls dann weitergehen?“ „Ich möchte etwas in beratende Richtung machen.“ Dann bekommt der Angeklagte noch Raum darzustellen, dass seine Eltern seit sechs Jahren eine „Schlammschlachtscheidung“ betreiben und das die Ursache für seine Labilität ist.

Der Staatsanwalt plädiert zum Schluss, dass er „nicht glaube, dass wenn man bei KaZaa nach Homosexualität sucht, dann Kinderpornografie findet.“ Daher ist das Geständnis zweifelhaft. Und: „Das Gericht muss auf seine Zukunft in gewisser Weise Rücksicht nehmen.“ Dann spricht der Staatsanwalt Klartext: „Doch bei der Strafzumessung darauf Rücksicht zu nehmen, dass er an der Universität Wien eine Dissertation schreiben kann, kann kein Grund sein, eine Strafe zu finden, die nicht im Strafregister aufscheint.“ Der Ankläger sieht den Angeklagten als „Konsumenten, der die Nachfrage produziert“. Zudem: „Er ist Jurist und weiss ganz genau, was verboten und was erlaubt ist.“ Der Ankläger: „Jeder Mensch weiss, dass Kinderpornografie verboten ist. Er weiss sogar die Strafdrohung und macht es trotzdem.“ Mahnend zuletzt: „Die Kürze einer Verhandlung sagt nichts über die Schwere der Schuld.“

Bis zu drei Jahre Haft wären möglich

Das theoretische Strafmaß beträgt bis zu drei Jahre Haft. Die magische Grenze sind drei Monate bedingt, bei der die Strafe nicht im Strafregisterauszug aufscheint. Das ist die Arbeitshypothese für die Verteidigung. Anwalt Rudolf Mayer findet zur Entlastung überraschende Argumente, die hier zur besseren Übersicht punktativ gelistet sind. Er überrascht mit der Einleitung:

  • „Die Berufsgruppe der Juristen kann man nicht mehr schuldig sehen als andere.“ Damit will er zur Ansicht verführen, dass besondere Kenntnis der Gesetze nicht mehr strafbar macht als deren Unkenntnis. [Das ist so natürlich nicht ganz richtig, aber eben das Konzept der mehrminütigen Contra-Rede Rudi Mayers.]
  • Der Magister kann „nur für das Herunterladen und Abspeichern bestraft werden“, da das Anschauen (Konsum) bis vor Kurzem nicht strafbar war, so der Anwalt. Auch wenn der Konsum von der Jugend an lief.
  • Mayer stellt die Analogie zwischen dem Suchtmittelgesetz und dem Kinderpornografiegesetz her. Er fordert, dass „Therapie statt Strafe“ wie beim SMG auch beim § 207a STGB bald kommt, da es sich bei Konsumenten von Kinderpornos „allesamt um Kranke handelt“. Daher geht es laut Mayer nicht darum, mit der vollen Strenge des Gesetzes „die kranken Konsumenten zu bestrafen, sondern um die Produzenten“, deren Ringe man zerschlagen müsse, appelliert Mayer an den Richter. [Der Haken an diesem Argument ist, dass kein Produzent auf der Anklagebank sitzt, sondern ein Konsument.]
  • Mayer sagt: „Wenn man homosexuell ist, ist man in einer Gefährdung, da man die Sexualität nicht offen ausleben kann“. Und: „Dann kommt man automatisch in den Besitz der Kinderpornos hinein, da diese Filme junge Darsteller oft anbieten.“
  • Mayer sagt, dass der Rechtspraktikant „aus der Homosexualität heraus und aus der krankhaften Störung heraus gehandelt“ hat und er relativiert die „Menge“ sogleich: „Das Herunterladen geht sehr schnell. Wenn man das eine Nacht macht, kommt man schnell auf 700, 800 Bilder“, so Anwalt Mayer.
  • „Man muss den sechsjährigen Scheidungskrieg der Eltern berücksichtigen.“ [Der Rechtspraktikant lebt bei seiner Mutter.]
  • Weitere Milderungsgründe laut Mayer: Voll geständig; schon bei Polizei geständig; unbescholten; homosexuell; krankheitseinsichtig; einer, der auf freiem Fuss befindlich eine Therapie macht. [Ja schon, aber erst seit Dezember 2009, Anm. B&G].
  • Milderungsgrund ist, so Mayer, dass der Herr Rechtspraktikant vom Arbeits- und Sozialgericht „sich durch die strafbare Tat selbst geschädigt hat, indem er vier Wochen vor Ende des Gerichtsjahres gekündigt wurde“. Das sei, so Rudi Mayer, nach dem Gesetz ein Milderungsgrund [!, Anm. B&G]
  • Generalprävention hingegen habe laut Mayer „bei den Konsumenten keinen Sinn“. Weil man „generalpräventiv nur die Produzenten“ bestrafen könne. „Spezialpräventiv hingegen hat er selbst schon viel gemacht“, sodass generalpräventiv nicht mehr anzusetzen sei [Mag. Andreas H. begann nach Rücksprache mit Mayer bereits (!) im Dezember 2009 eine „Therapie“ bei DDr. Alfred Oppolzer, Psychotherapeut]

„Gnadenakt“

Der Richter verurteilt nach 207a StGB (Besitz und Weitergabe), § 51 StGB (Therapieauflage, drei Jahre), § 26 (1) StGB (Einziehung Bild- und Videomaterial) und hält fest, dass das Urteil von drei Monaten bedingt auf drei Jahre ein „Gnadenakt“ ist. Er muss die „Therapie“ bei seinem privaten Psychotherapeuten „weitermachen“, so der Richter. Und alle „drei bis vier Monate“ einen diesbezüglichen Beleg ans Gericht schicken. Der Tatzeitraum, so der Richter im mündlichen Urteil, „reicht bis in die Jugend zurück, aber es ist auch Erwachsenenstrafrecht anzuwenden.“ Dass er DVDs an einen Minderjährigen weitergegeben hat „mit dem wos war“, bezeichnet der Richter „auch nicht schön“. Er sieht die Straffrage so: Mildernd ist das „Geständnis“ (ein alter Rudolf Mayer-Trick: Angeklagte in letzter Minute auf ein Geständnis einzuschwören). Erschwerend ist der „lange Zeitraum“ bei Mag. Andreas Herrmann. Der Richter wiegt das abgeschlossene Studium interessanterweise als Entlastung, wohl vor allem, weil man aus dem selben Stall kommt und er Jus studiert hatte. Entlastend ist „die Einsicht, dass er krank ist“ und „er ein Doktoratsstudium machen will“. Wie beides zusammen passt, verrät der Richter nicht (krank sein und Dissertation schreiben). Weiter der Richter, fast väterlich nachsichtig: „Wenn jemand in der Strafkarte drinnen ist, kann er beruflich Einpacken gehen und sich als Hilfsarbeiter irgendwo bewerben, aber mehr nicht mehr“, malt er Dämonen an die Wand. Daher setzt der Richter die Strafe mit drei Monaten fest, was die „beschränkte Auskunft in der Strafkarte“ bewirkt (das Urteil bleibt unsichtbar für Außenstehende wie Firmen und Unternehmen, scheint nur für Behörden symbolisch auf). Der Richter sieht sein Urteil so: „Daher ist diese Konsequenz [Einpacken gehen, sich als Hilfsarbeiter bewerben müssen, keine Chance am Arbeitsmarkt] für einen bloßen Konsumenten, der krankheitseinsichtig ist, überzogen.“ Somit gibt es für jahrelangen Konsum von KIPO und sogar die Weitergabe an einen 14-Jährigen nur 3 Monate bedingt, die nun nirgendwo aufscheinen. Die Staatsanwaltschaft gibt keine Erklärung ab. Der Staatsanwalt sagt in einem längeren Gespräch nach dem Prozess am Gang, dass die Fachabteilung sich das Urteil noch einmal ansehen muss. Man müsse prüfen, wie die Linie am OLG derzeit ist, um abzuwägen, ob eine Berufung einen Sinn macht.

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Fazit und knappe Anmerkung B&G (einziger Beobachter im Saal 106): Wenn es sich herumspricht, dass man 3 Monate bedingt für den Besitz von 3.000 (!) Pics und Filmen plus Weitergabe an einen Minderjährigen (!) bekommt, droht ein Roland Emmerich-Disaster in den nächsten Jahren im Sektor Cyberkriminalität. Das Gesetz ist in dieser Anwendung völlig zahnlos. Kein weiterer Kommentar, denn der Vorsitzende hatte das letzte Wort und nicht ein Webjournal, das Zustände nur sichtet, ausliest und dokumentiert, aber nicht verändern kann.

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Anderes (man will nicht dumm sterben):
Neun Forderungen der Strafverteidigervereinigung (B&G, 17. April 2009)

Marcus J. Oswald (Ressort: Kinderpornografie) – LG Wien, Saal 106, 22. Dezember 2009, 11 h 45 bis 12 h 07

Schlag gegen Kinderpornografen – Aktion Geisterwald

Posted in Bundeskriminalamt, Kinderpornografie by sicherheitwien on 30. September 2009

Jener 41-jährige Wiener Fleischhauer (Gesicht verdeckt), der im Webforum Geisterwald nach pädophilen Inhalten suchte und diese nach sittlichem Missbrauch seiner Kinder auch bereitstellte, wurde am 3. November 2009 am Landesgericht Wien zu sieben Jahren Haft verurteilt. (Foto: Oswald)

(Wien, am 30. September 2009) Nur vier Tage nach der Verhaftung des Filmregisseurs Roman Polanski, dem in den USA vorgeworfen wird, vor sechsunddreißig Jahren im Model-Milieu in der Villa des Schauspielers Jack Nickolson als 40-Jähriger mit einem 13-jährigen Mädchen Sex oder ein sexähnliches Erlebnis gehabt zu haben, beendete das Wiener Bundeskriminalamt in Kooperation mit dem deutschen Bundeskriminalamt eine Aktion mit Namen „Geisterwald“.

Im Geisterwald

Im Zuge der Kommando-Aktion “Geisterwald” wurde bereits im Mai 2009 ein 41-jähriger Wiener Fleischhauer verhaftet, den die Polizei als “Star des Forums” bezeichnet. Er habe in einem pädophilen Internetforum, dessen Moderatoren in Deutschland zu Hause waren und dessen Chefadminstrator in der Schweiz lebt, Ankündigungen gemacht, dass er – zur Freude der User – bald selbst hergestellte Filme kinderpornografischen Inhalts vorstellen werde. Dies hat er in die Tat umgesetzt. Der Vater dreier Kinder wurde verhaftet. Die Mutter stellt sich unwissend.

Aktion „Geisterwald“ zu Ende

In der Nacht zum 29. September 2009 war die Aktion „Geisterwald“ beendet und europaweit klickten bei einigen Herrschaften die Handschellen. Einige Foren, darunter „Geisterwald“ wurden behördlich geschlossen. Insgesamt wurden 22 Personen [Österreich (drei) und Deutschland (elf)] verhaftet. Die drei Österreicher stammen aus Wien, Steiermark und Vorarlberg und waren in der Webszene aktiv. Der 36-jährige Vorarlberger aus dem Raum Götzis sitzt im Zusammenhang mit diesen Erhebungen schon seit Juni 2009 in U-Haft. Er wurde von seiner 16-jährigen Stieftochter des etwa vierjährigen sexuellen Missbrauchs angezeigt. Der Missbrauch wurde von ihm fotografiert und die Fotos ins Internet wurden anderen im Internet zur Verfügung gestellt. Einen Tatverdacht gibt es auch gegen die Mutter, die jedoch nicht in Untersuchungshaft sitzt. Ein weiterer Mann aus Kärnten sitzt ebenso in diesem Zusammenhang in U-Haft. In der Steiermark gab es laut Polizei bei zwei Verdächtigen Hausdurchsuchungen.

178 Hausdurchsuchungen, 22 Verhaftungen

Am 30. September 2009 gab das Wiener Bundeskriminalamt den Umfang bekannt. Er ist nicht sehr groß, aber es ist international. Die Personen verabredeten sich über Internet, eröffneten getarnte Foren und führten im Internet ihre Dispute durch. Das Ergebnis sind 178 Hausdurchsuchungen in Österreich, Deutschland, Schweiz, Bulgarien, Kanada und den USA. Dabei wurden 220 PCs eingezogen und 17.000 Speicherträger sichergestellt.

„Die Männer, die einer deutschsprachigen pädophilen Internet-Community angehörten, stehen im Verdacht des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern. Ihnen wird vorgeworfen, von ihren Missbrauchstaten Bild- und Videoaufnahmen gemacht zu haben und sie über einschlägige Foren im Internet verbreitet zu haben“, so Ewald Ebner, Leiter des Büros für Kapital- und Sittlichkeitsdelikte im Wiener Bundeskriminalamt.

Interpol-Datenbank

Die Polizei ist bei Kinderpornografie hellwach und hat das System im Wesentlichen im Griff. Da die Angelegenheit international strukturiert ist, greift Interpol die Kinderpornografie-Webseiten und die Sex-Foren regelmäßig ab und speichert sämtliches Material in einer Datenbank. In Österreich trägt die „Meldestelle“ zu dieser internationalen Datenbank bei. Mit Unterstützung dieser Datenbank werden Kommando-Aktionen geplant, die zeitgleich in vielen Ländern über die Bühne gehen. So alle halben Jahre findet eine Kommando-Aktion statt, die einen eigenen Namen und die entsprechenden User dieser Webseiten als Zugriffsziel hat. Deren Wohnungen werden durchsucht, die Geräte beschlagnahmt.

Webseiten liegen im internationalen Ausland

Österreich gilt nicht als Hochburg der Kinderpornografie. In Österreich ist keine einzige einschlägige Webseite beheimatet. Der gewerbliche KIPO-Sektor (Herstellung, Vertrieb, Webseitenaufbau) existiert so gut wie nicht, Hersteller sind selten. Der festgenommene 41-jährige Wiener ist ein „Hersteller“, damit aber in der Minderheit. Österreichsiche KIPO-Fälle sind vor dem Landesgericht (Wien) meist Einzelrichterangelegenheiten und betreffen den illegalen Besitz von Filmen und Bildern, die mittels Filesharing auf den Rechner gelangt sind. Manchmal brennen sich die Täter dies – es gab so einen Fall – auf DVD und nehmen sich die Filme mit Knacker und Jausenbrot und in der Aktentasche in die Arbeit, um sie im Nachtdienst anzusehen. Der Besitz ist in Österreich strafbar. Bei nichteinschlägigen Vorstrafen enden solche Strafprozesse vor dem Richter aber meist mit einer bedingten Strafe von fünf Monaten und einer Therapieauflage (Psychotherapeut).

Beschlagnahme zäh

Bei den beschlagnahmten Rechnern dauert die Analyse im Durchschnitt ein Jahr. Das nicht deshalb, weil die Analyse so aufwändig wäre, sondern weil durch die Fülle der Beschlagnahmen die Polizeiressourcen am Limit arbeiten. In den großen Städten Österreichs sind die Abteilungen der „Datensicherung“ mit Aufträgen ausgelastet, da der Anfall an beschlagnahmten PCs auch bei anderen Fällen (Betrug, Finanzdelikte oder Amtsmissbrauch) entsprechend hoch ist. Wird ein PC dann „gespiegelt“ und analysiert, wird nicht nur das Datenmaterial am Rechner gesichtet, sondern auch die Verzeichnisstruktur der Programme. Dadurch wird herausgefunden, ob es – bei Verdacht auf Kinderpornografiebesitz – möglich war, größere Datenmengen mit der Technik FTP weiterzugeben. Das ist von Relevanz, da das österreichische Gesetz darin unterscheidet, ob ein Besitzer von Kinderpornografie mit verbotenen Bildern und Videos auch Handel betreibt, das heißt, diese Daten weitergibt. Besitz und Handel sind wie beim Suchtgiftgesetz unterschiedliche Dinge. Der Strafrahmen erhöht sich dann.

Leistungsschau

2008 stellte die Polizei in Wien 478 Festplatten sicher (2007: 438). 2008 wurden insgesamt über 31.500 Datenträger eingezogen (2007: > 30.000, 2006: etwa 22.000). Anzeigenseitig bedeutet das einen steilen Anstieg. 2008 wurden 369 Anzeigen an die Staatsanwaltschaft vorgelegt (2007: 163, 2006: 89). Der „Meldestelle“, die im Bundesministerium für Inneres beheimatet ist, die der Amtsverschwiegenheit und Informantenverschwiegenheit unterliegt, wurden 2008 insgesamt 5.238 Hinweise zugeschickt. Diese stammen im Regelfall von privaten Internetnutzern, denen Dinge in der weiten Welt des Webs auffallen, die ihnen verdächtig vorkommen. Dabei handelt es sich oftmals um Bilder oder Filme mit kinderpornografischem Inhalt, die zum Großteil via Filesharing-Programme und Newsgroups an Interessierte durchgereicht werden – bis sie in die Hände kommen, die den Händen derer, die sie weiter geben, Handschellen anlegen.

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Pressemeldung vom deutschen Bundeskriminalamt Wiesbaden (30. September 2009)

Meldestelle des Wiener Bundeskriminalamts (Teil der Interpol Datenbank)

Marcus J. Oswald (Ressort: Bundeskriminalamt, Kinderpornografie)

Vier Jahre Kinderpornobesitz – Fünf Monate Haft bedingt und 360 Euro Geldstrafe

Posted in Kinderpornografie by sicherheitwien on 3. Februar 2009

Landesgericht Wien.

(LG Wien, am 3. Februar 2009) Das Verfahren ist kurz (halbe Stunde) und beginnt früh (9 Uhr). Der Angeklagte ist äußerst reuig, kommt auf freiem Fuß. Allein und ohne Anwalt. Im Gerichtssaal sitzt ein Zuhörer (dieses Journal).

Der Angeklagte ist slawischer Herkunft, 42 Jahre alt. Gattin ist 32 und hat mit ihm drei Kinder. Angeklagter arbeitet und bringt 1.200 Euro netto ins Verdienen, also fast exakt das von der österreichischen Arbeiterkammer (AK) laut Einkommensanalyse Bruttomedianeinkommen bei Männern (1.713 Euro brutto entspricht 1.219 Euro netto). Für zwei frühere Kinder zahlt er jeweils 200 Euro Alimente. Soweit so gut.

Vier Jahre KIPO

Nicht so gut ist, was der bärtige Staatsanwalt dem kleingewachsenen Angeklagten mit blauer Winterjacke, grauer Igelfrisur, samtener Stimme und perfektem Deutsch vorwirft: Er habe im Zeitraum von 2004 bis 22. September 2007 Kinderpornografie auf DVDs gebrannt, diese in die Arbeit mitgenommen und im Nachtdienst angeschaut.

Er gibt das ohne Umschweife und knapp zu: „Ja, ich habe das getan.“ Staatsanwalt: „Sie haben das über einen Zeitraum von vier Jahren gemacht?“ Slawe mit Igelfrisur: „Ich schätze, 2004 hat es begonnen. Ja, ich habe es gemacht.“ Er ist über eine Musikwebseite (Tauschbörse Kazaa) auf eine Kipo-Webseite „gestoßen“. Dann hat er sich Pornos und Kinderpornos runtergeladen. „Ja, ich habe es gemacht“, sagt er noch einmal, um keine Zweifel an seiner Geständnisfreudigkeit aufkommen zu lassen.

Neugier

Richterin: „Aber Sie müssen sich ja was dabei gedacht haben?“ „Es war Dummheit und Neugier.“ Richterin: „Wie oft haben Sie etwas heruntergeladen?“ „Zwei, drei Mal im halben Jahr“, reduziert der Angeklagte seinen Aktionskreis. Er hat es gespeichert und in die Arbeit mitgenommen. Richterin: „Haben Sie sich das in der Arbeit angeschaut?“ „Selten.“ Also nur mitgenommen in der Jausentasche. „Ich habe nie ein Kind angegriffen“, ergänzt der Familienvater, denn er hat „selbst drei Kinder“ (eigentlich fünf). Richterin glaubt grundsätzlich viel, wenn der Angeklagte alles zugibt. Letzter Versuch: „Was empfinden Sie dabei, Fünfjährigen bei Sexspielen zuzusehen?“ „Nichts.“ Richterin: „Ich habe fast Verständnis für Neugier, Dummheit. Aber über vier Jahre? Mich verwundert, dass sie keine Erregung haben? Vier Jahre Neugier, dass ist etwas…“ „Es tut mir leid, was ich getan habe.“

Angeklagter: „Ich habe seit dem Vorfall (der sich über vier Jahre zog, Anm.) nichts mehr mit der Sache zu tun. Meine Frau muss nun meine Banküberweisungen machen.“ Richterin winkt ab: „Das heißt jetzt nicht, dass Sie nicht mehr zum Computer sollen.“ „Ich muss mich nicht zurückhalten beim Computer, ich habe solche Seiten nicht mehr aufgemacht. Ich habe kein Interesse mehr daran.“ Und erzählt noch, dass er sich den Stadtplan für diese Verhandlung problemlos aus dem Internet ausgedruckt hat, „damit ich weiß, wo ich hinfahren muss“ – ohne auf Kinderpornografieseiten anzustreifen.

Es liegt dann etwas Zweifel in der Luft. Das wirkt alles zu glatt und vorbereitet. Eine beisitzende Schulungsrichterin schaut grimmig und wirft ein. „Wie sieht es mit einer Therapie aus?“ Angeklagter: „Ich glaube nicht, dass ich eine brauche. Es ist vorbei.“ Dem widerspricht diese Richterin: „Das sehe ich nicht so. Sie verdrängen die Problematik, setzen sich aber nicht mit ihr auseinander.“

Längere Beratung

Da es keine Zeugen gibt, in diesem Verfahren der Sachbeweis bei einer Hausdurchsuchung am 22. September 2007 sichergestellt wurde, endet es hier. Der Staatsanwalt bleibt bei „wie schriftlich“, der Angeklagte bittet „nicht ins Gefängnis gehen zu müssen“ und sagt, was er oft sagt: „Es tut mir leid.“

Die Richterin und die Schulungsrichterin ziehen sich in den Nebenraum zurück. „Zwei Minuten“ – sagen sie. Sieben Minuten werden es. Es wird ein eher komplexes Kombinationsurteil nach § 207a Abs 1 Z 2 StGB: Fünf Monate bedingt auf drei Jahre. Dazu 120 Tagsätze Geldstrafe unbedingt (3 Euro pro Tag), also 360 Euro plus pauschal 100 Euro Gerichtskosten, zahlbar mit Erlagschein. Dazu kommt eine verpflichtende Psychotherapie. Die Therapieauflage währt drei Jahre.

Die Mischung aus reumütigem Geständnis (bei erdrückendem Sachbeweis, Anm.), extrem langer Tatzeitraum (vier Jahre) und Verdrängung der Problematik führen dazu. Angeordnet wird, dass ihm PC und Laptop wieder ausgehändigt werden, hingegen die Kassetten, CDs, DVDs, die kriminelles Material beinhalten, vernichtet werden. Der Verurteilte stimmt zu und geht nach Hause.

Hier endet eine vierjährige Episode nach einer halben Stunde.

Marcus J. Oswald (Ressort: Kinderpornografie) – LG Wien, Saal 202, 9 Uhr 00 – 9 Uhr 30