Ruhe und Ordnung – Das Sicherheitsmagazin

Schlag gegen Kinderpornografen – Aktion Geisterwald

Posted in Bundeskriminalamt, Kinderpornografie by sicherheitwien on 30. September 2009

Jener 41-jährige Wiener Fleischhauer (Gesicht verdeckt), der im Webforum Geisterwald nach pädophilen Inhalten suchte und diese nach sittlichem Missbrauch seiner Kinder auch bereitstellte, wurde am 3. November 2009 am Landesgericht Wien zu sieben Jahren Haft verurteilt. (Foto: Oswald)

(Wien, am 30. September 2009) Nur vier Tage nach der Verhaftung des Filmregisseurs Roman Polanski, dem in den USA vorgeworfen wird, vor sechsunddreißig Jahren im Model-Milieu in der Villa des Schauspielers Jack Nickolson als 40-Jähriger mit einem 13-jährigen Mädchen Sex oder ein sexähnliches Erlebnis gehabt zu haben, beendete das Wiener Bundeskriminalamt in Kooperation mit dem deutschen Bundeskriminalamt eine Aktion mit Namen „Geisterwald“.

Im Geisterwald

Im Zuge der Kommando-Aktion “Geisterwald” wurde bereits im Mai 2009 ein 41-jähriger Wiener Fleischhauer verhaftet, den die Polizei als “Star des Forums” bezeichnet. Er habe in einem pädophilen Internetforum, dessen Moderatoren in Deutschland zu Hause waren und dessen Chefadminstrator in der Schweiz lebt, Ankündigungen gemacht, dass er – zur Freude der User – bald selbst hergestellte Filme kinderpornografischen Inhalts vorstellen werde. Dies hat er in die Tat umgesetzt. Der Vater dreier Kinder wurde verhaftet. Die Mutter stellt sich unwissend.

Aktion „Geisterwald“ zu Ende

In der Nacht zum 29. September 2009 war die Aktion „Geisterwald“ beendet und europaweit klickten bei einigen Herrschaften die Handschellen. Einige Foren, darunter „Geisterwald“ wurden behördlich geschlossen. Insgesamt wurden 22 Personen [Österreich (drei) und Deutschland (elf)] verhaftet. Die drei Österreicher stammen aus Wien, Steiermark und Vorarlberg und waren in der Webszene aktiv. Der 36-jährige Vorarlberger aus dem Raum Götzis sitzt im Zusammenhang mit diesen Erhebungen schon seit Juni 2009 in U-Haft. Er wurde von seiner 16-jährigen Stieftochter des etwa vierjährigen sexuellen Missbrauchs angezeigt. Der Missbrauch wurde von ihm fotografiert und die Fotos ins Internet wurden anderen im Internet zur Verfügung gestellt. Einen Tatverdacht gibt es auch gegen die Mutter, die jedoch nicht in Untersuchungshaft sitzt. Ein weiterer Mann aus Kärnten sitzt ebenso in diesem Zusammenhang in U-Haft. In der Steiermark gab es laut Polizei bei zwei Verdächtigen Hausdurchsuchungen.

178 Hausdurchsuchungen, 22 Verhaftungen

Am 30. September 2009 gab das Wiener Bundeskriminalamt den Umfang bekannt. Er ist nicht sehr groß, aber es ist international. Die Personen verabredeten sich über Internet, eröffneten getarnte Foren und führten im Internet ihre Dispute durch. Das Ergebnis sind 178 Hausdurchsuchungen in Österreich, Deutschland, Schweiz, Bulgarien, Kanada und den USA. Dabei wurden 220 PCs eingezogen und 17.000 Speicherträger sichergestellt.

„Die Männer, die einer deutschsprachigen pädophilen Internet-Community angehörten, stehen im Verdacht des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern. Ihnen wird vorgeworfen, von ihren Missbrauchstaten Bild- und Videoaufnahmen gemacht zu haben und sie über einschlägige Foren im Internet verbreitet zu haben“, so Ewald Ebner, Leiter des Büros für Kapital- und Sittlichkeitsdelikte im Wiener Bundeskriminalamt.

Interpol-Datenbank

Die Polizei ist bei Kinderpornografie hellwach und hat das System im Wesentlichen im Griff. Da die Angelegenheit international strukturiert ist, greift Interpol die Kinderpornografie-Webseiten und die Sex-Foren regelmäßig ab und speichert sämtliches Material in einer Datenbank. In Österreich trägt die „Meldestelle“ zu dieser internationalen Datenbank bei. Mit Unterstützung dieser Datenbank werden Kommando-Aktionen geplant, die zeitgleich in vielen Ländern über die Bühne gehen. So alle halben Jahre findet eine Kommando-Aktion statt, die einen eigenen Namen und die entsprechenden User dieser Webseiten als Zugriffsziel hat. Deren Wohnungen werden durchsucht, die Geräte beschlagnahmt.

Webseiten liegen im internationalen Ausland

Österreich gilt nicht als Hochburg der Kinderpornografie. In Österreich ist keine einzige einschlägige Webseite beheimatet. Der gewerbliche KIPO-Sektor (Herstellung, Vertrieb, Webseitenaufbau) existiert so gut wie nicht, Hersteller sind selten. Der festgenommene 41-jährige Wiener ist ein „Hersteller“, damit aber in der Minderheit. Österreichsiche KIPO-Fälle sind vor dem Landesgericht (Wien) meist Einzelrichterangelegenheiten und betreffen den illegalen Besitz von Filmen und Bildern, die mittels Filesharing auf den Rechner gelangt sind. Manchmal brennen sich die Täter dies – es gab so einen Fall – auf DVD und nehmen sich die Filme mit Knacker und Jausenbrot und in der Aktentasche in die Arbeit, um sie im Nachtdienst anzusehen. Der Besitz ist in Österreich strafbar. Bei nichteinschlägigen Vorstrafen enden solche Strafprozesse vor dem Richter aber meist mit einer bedingten Strafe von fünf Monaten und einer Therapieauflage (Psychotherapeut).

Beschlagnahme zäh

Bei den beschlagnahmten Rechnern dauert die Analyse im Durchschnitt ein Jahr. Das nicht deshalb, weil die Analyse so aufwändig wäre, sondern weil durch die Fülle der Beschlagnahmen die Polizeiressourcen am Limit arbeiten. In den großen Städten Österreichs sind die Abteilungen der „Datensicherung“ mit Aufträgen ausgelastet, da der Anfall an beschlagnahmten PCs auch bei anderen Fällen (Betrug, Finanzdelikte oder Amtsmissbrauch) entsprechend hoch ist. Wird ein PC dann „gespiegelt“ und analysiert, wird nicht nur das Datenmaterial am Rechner gesichtet, sondern auch die Verzeichnisstruktur der Programme. Dadurch wird herausgefunden, ob es – bei Verdacht auf Kinderpornografiebesitz – möglich war, größere Datenmengen mit der Technik FTP weiterzugeben. Das ist von Relevanz, da das österreichische Gesetz darin unterscheidet, ob ein Besitzer von Kinderpornografie mit verbotenen Bildern und Videos auch Handel betreibt, das heißt, diese Daten weitergibt. Besitz und Handel sind wie beim Suchtgiftgesetz unterschiedliche Dinge. Der Strafrahmen erhöht sich dann.

Leistungsschau

2008 stellte die Polizei in Wien 478 Festplatten sicher (2007: 438). 2008 wurden insgesamt über 31.500 Datenträger eingezogen (2007: > 30.000, 2006: etwa 22.000). Anzeigenseitig bedeutet das einen steilen Anstieg. 2008 wurden 369 Anzeigen an die Staatsanwaltschaft vorgelegt (2007: 163, 2006: 89). Der „Meldestelle“, die im Bundesministerium für Inneres beheimatet ist, die der Amtsverschwiegenheit und Informantenverschwiegenheit unterliegt, wurden 2008 insgesamt 5.238 Hinweise zugeschickt. Diese stammen im Regelfall von privaten Internetnutzern, denen Dinge in der weiten Welt des Webs auffallen, die ihnen verdächtig vorkommen. Dabei handelt es sich oftmals um Bilder oder Filme mit kinderpornografischem Inhalt, die zum Großteil via Filesharing-Programme und Newsgroups an Interessierte durchgereicht werden – bis sie in die Hände kommen, die den Händen derer, die sie weiter geben, Handschellen anlegen.

+++

Pressemeldung vom deutschen Bundeskriminalamt Wiesbaden (30. September 2009)

Meldestelle des Wiener Bundeskriminalamts (Teil der Interpol Datenbank)

Marcus J. Oswald (Ressort: Bundeskriminalamt, Kinderpornografie)

Deutschland – Fahndungsdruck gegen Kinderpornografen

Posted in Bundeskriminalamt, Kinderpornografie by sicherheitwien on 18. Mai 2008

(Wien, im Mai 2008) Die größte Kommandoaktion der Polizei zum Kinderschutz im Internet rollt derzeit in Deutschland an: Kinderpornografen, Pädophilen und Web-Lüstlingen soll das Handwerk gelegt werden.

Seit Ende 2007 läuft die „Operation Himmel“, die 12.000 Internet-User im Ziel hat. Das hat nun ein Oberstaatsanwalt aus dem ostdeutschen Halle der Presse verraten – was polizeiinterne Misstöne in Deutschland ausgelöst hat. Ermittler, vor allem in Süddeutschland, befürchten, dass durch mediale Vorwarnungen relevantes Beweismaterial vernichtet wird.

Operation Himmel – Deutschland 2007 und 2008

Die Operation Himmel ermittelt in rund 70 Ländern hauptsächlich gegen Männer auf Grund von IP-Adressen, die in konkreten kinderpornografischen Seiten aufgetaucht sind. Es geht um Besitz, Weitergabe und gewerbsmäßigen Handel mit Fotos und Videos in Zirkeln, die das Informationsmedium Internet für Perversitäten missbrauchen.

Im Bundesland Bayern wurde gegen 2.000 Tatverdächtige ein Ermittlungsverfahren auf Grund von Tatverdacht eröffnet, wovon ein Drittel schon abgeschlossen sein soll. In Baden-Württemberg laufen Hausdurchsuchungen und Datenspiegelungen gegen 1.700 Personen, im Bundesland Sachsen-Anhalt gegen 300.

Aufgeflogen ist der Skandal, nachdem Ende 2007 “enorme Datenmengen” über den deutschen Provider Strato bewegt worden waren, berichtete die ARD auf ihrer Webseite. Ob Österreicher auch ins Netz gehen, ist noch geheim.

Kein Unrechtsbewußtsein

Seit die Rechner immer schneller, die externen Speicher immer kleiner, die Unverfrorenheit immer größer, die Tagesfreizeit immer mehr wird, nimmt die Internetkriminalität zu.

Es konnte noch kein Nutzer darlegen, warum er Kinderpornografie auf seinem Rechner hat. Einschlägige Gerichtsprozesse in Wien brachten selbst von intelligenten Männern nie mehr als jämmerliches Gestammel hervor.

Das Gebiet der Pädophilie ist zu wenig erforscht und durchsichtig gemacht. Die Gesetzesandrohungen für Kinderpornografie sind seit 2004 in Österreich verschärft worden (bei Gewerbsmäßigkeit bis zu 10 Jahre Haft).
Bei vielen Personen rangiert das Tatbild unter Kavaliersdelikt wie Telefonieren am Steuer.

Bärtige, Polizeiobere, Wissenschaftsbeamte

Man kann beobachten, dass dickbärtige Männer mit ungepflegtem Äußeren am Wiener Gürtel bis zwei Uhr Nachts im arabischen Internetshop sitzen und die mitgebrachte externe Festplatte mit Bildmaterial sehr jung wirkender Mädchen füllen. Bei Shopbetreibern gibt es kein Unrechtsbewußtsein, keine Zivilcourage, keinen Abwehrmechanismus. So wird das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Lustmolchen und Staatsorganen endlos gehen.

Manchmal horten selbst Staatsbeamte KIPO. Dann wird das Staatssystem im Auswahlsystem ad absurdum geführt. Wenn nicht mehr klar ist, wer im Staat in moralischer Festigkeit “oben sitzt” und führt und wer unten sitzt und folgt, heben sich die Regeln – ähnlich wie bei der Korruption – auf. Kürzlich wurde ein Polizeioberst des Besitzes von (geringen Mengen) KIPO überführt. Unter Nachsicht aller Taxen konnte man ihm noch glauben, dass er privat Columbo spielen wollte.

Am 30. Jänner 2007 um 22 Uhr wurde ein 45-jähriger Mitarbeiter des österreichischen Ministeriums für Wissenschaft im Wiener Internetcafé „Speednet“ von Polizisten an seinem Terminal von hinten auf die Schulter getippt. Verkehrskontrolle. Der Mann hatte soeben einschlägige kinderpornografische Seiten angezapft und Bildmaterial im vermeintlichen Schutz der anonymen IP-Adresse auf Datenträger gebrannt.

Qualitätskriterium “Stiller Alarm” in Webcafé “Speednet”

Dabei hatte er einen stillen Alarm ausgelöst, den es im Internetcafé “Speednet”, gibt. Beim Ministerialbeamten fanden sich zu Hause weitere hundert Speicherträger mit einschlägigem Bildmaterial, was einer zweistelligen Gigabytedatenmenge entspricht.

Gegenüber der Wiener Kriminaldirektion 1 und dem zuständigen Gruppeninspektor Brozek gestand er, dass er seit Ende 2005 Material einsammelte und ab Herbst 2006 distribuierte. Über Motive schwieg er. Der Mann arbeitet noch immer in österreichischen Wissenschaftsministerium.

In den letzten zwei Jahren gab es mehrere Aktionen gegen KIPO:

  • Anfang 2006 ging die Operation Penalty von Stuttgart aus. Man untersuchte 2.200 Anschlüsse in 82 Ländern auf allen 5 Kontinenten, die Bestellungen von Material aufgaben. Aus Österreich waren 55 IP-Adressen dabei. Im Zuge der Erhebungen fand man auch 1.000 Fotos auf dem Rechner eines Leitenden Kriminalpolizisten in Stuttgart.
  • Mitte 2006 begann die Operation Heidi, die von Wiesbaden ausging. Auch diesmal waren Österreicher in größerem Ausmaß an Ringgeschäften beteiligt. Laut Bundeskriminalamt Wien (BK) gab es maßgebliche Anzeigen gegen vier Wiener, drei Niederösterreicher, einen Steirer und einen Vorarlberger.
  • Die Operation Mikado löste im Herbst 2006 große Turbulenzen bei Datenschützern in Deutschland aus. Erstmals begehrte die deutsche Polizei über 14 Bankinstitute die Einsicht in Kreditkartenabrechnungen, da hunderte Buchungen auf ein Verteilerkonto auch von Deutschen flossen. Ein Teil der 22 Millionen Kreditkarten Deutschlands wurde geöffnet und 322 Verdächtige, die Überweisungen tätigten, angezeigt. Österreichbezug bestand bei dieser Operation keiner.

Marcus J. Oswald (Ressort: Bundeskriminalamt, Kinderpornografie)